13.06.2016 23:32

Beruf: Schulpferd - Die fleißigen Ausbilder an der Basis

Was wäre eigentlich, wenn Schulpferde eine Gewerkschaft gründen dürften? Welche Forderungen gäbe es wohl an erster Stelle? Mehr Urlaubstage? Vielleicht. Extra Möhren für Überstunden? Vorstellbar. Doch vorne an stünden wohl vielmehr Forderungen wie: „Unterschätzt uns nicht!“ oder „Schätzt unsere Arbeit wert!“ Laut pferd-aktuell.de finden Schulpferde ihren Einsatz besonders in der Jugend- und in der Breitensportförderung. Sie stehen am Beginn vieler Reitkarrieren. Die solide Reitausbildung auf Schulpferden ist somit das Herzstück der Vereins- und Betriebsarbeit. Schulpferde legen mit ihrer Leistung täglich das Fundament unseres Sports an der Basis. Genau aus diesem Grund sind sie für Vereine von großem Wert, für Ausbilder die besten Co-Arbeiter und für Reitschüler wahre Freunde und Lehrmeister. Eines ist klar – sie haben einen anspruchsvollen Job. Damit sie diesem motiviert und gesund nachgehen können, finden sich im Folgenden einige Anregungen und Gedanken zur Berufsgruppe „Schulpferd“. Reiten und Zucht sprach hierzu mit Mareike Nieschalk (Trainerin B, Kinderreitlehrerin (FN), Reittherapeutin, Dipl. Soziologin), die mit ihrer Ponyreitschule seit 12 Jahren die Kinder- und Jugendausbildung im RSV am Maifeld innehat. Hier berichtet sie aus ihrer täglichen Erfahrung und zeigt auf, wie wir den vierbeinigen Ausbildern an der Basis immer noch ein bisschen gerechter werden können. Zu Beginn bricht Mareike Nieschalk eine Lanze für ihre tierischen Arbeitskollegen: „An kein "normales" Pferd oder Pony werden so hohe Ansprüche gestellt, wie an ein Schulpferd. Schriebe man für Schulpferde offene Stellen aus, sähe das gewünschte Profil wohl wie folgt aus:

Gesucht: Schulpferd oder - die eierlegende Wollmilchsau
Selbstverständlich geht es artig mindestens eine A-Dressur, lässt sich ausbinden, mit Gerte oder Sporen reiten, überwindet zuverlässig kleine Hindernisse. Artig läuft es an der Longe, auch mit noch unausbalancierten Reitanfängern. Im Umgang mit Menschen ist es freundlich. Auf Fehler reagiert es mit Ruhe, ist verzeihlich. Aus vier unterschiedlich gegebenen Galopphilfen antizipiert es das ruhige Angaloppieren. Artgenossen gegenüber ist es stets wohlgesonnen. Trecker und freilaufende Hunde können es nicht schocken. Schmied, Tierarzt, Fahrten im Hänger sind ihm immer eine willkommene Abwechslung. Im Winter wird der Schlitten angespannt, Fasching hängen Luftballons am Sattel. Natürlich ist es robust und pflegeleicht in der Vor- und Nacharbeit und seine Gesundheit eisern. Und sonst noch? Ein Bild von einem Pferd natürlich!“

Wertschätzung vermitteln von Anfang an
„Noch immer ist das Wort "Schulpferd" besetzt mit einem Hauch von "weniger sein““, kommentiert Nieschalk. „"Das ist nur ein Schulpferd...“ Ein Anfang kann sein, rein sprachlich eine Änderung zu forcieren, und galanter von "Ausbildungspferd" zu sprechen. Nicht nur die sprachliche Wertschätzung ist von Relevanz. Natürlich sollte klar sein, dass den Pferden besondere Liebe und Aufmerksamkeit im Umgang von Seiten der Reitlehrer und Ausbilder als Vorbilder zu Teil werden muss. Nur dann wird das Bild des Schulpferdes in den Köpfen klarer: Ein Leistungssportler der besonderen Art, der unseren höchsten Respekt verdient, weil er voller Geduld so viel lehrt.“

Gelebter Tierschutz an der Basis – jedes Pferd ist einzigartig
Viel Wert legt Mareike Nieschalk auf die Anerkennung und Förderung der individuellen Gegebenheiten, die jedes ihrer Ponys mit sich bringen. „Ausbildungspferde sind Allrounder. Sie werden vielseitig ausgebildet und gezielt eingesetzt. Neben der Dressurarbeit werden sie gesprungen, im Gelände geritten und an der Longe eingesetzt. Sie machen Bodenarbeit und spielen bei Trails und Reiterspielen die Hauptrolle. Dabei bleiben alle Vierbeiner individuelle Persönlichkeiten. Sie gehen unvoreingenommen an ihr Gegenüber heran und zeigen deutlich, wie sie zu ihm stehen - und das sollen sie auch. Sie spiegeln das momentane Verhalten des Reitschülers wider, egal ob dieses gerade zu forsch oder zu zögerlich ist. Die Pferde und Ponys dürfen ihr Temperament und ihre Gefühlslage zeigen, sie dürfen unaufmerksam oder ängstlich sein. Alles jedoch so, dass es für die Kinder und Jugendlichen hilfreich ist. Die Reitlehrer fungieren als Dolmetscher, damit die Schüler die Sprache der Pferde lernen können. Eine abwechslungsreiche und ausgleichende Arbeit mit erfahrenen Reitern ermöglicht den Pferden ihre individuellen Stärken und Eigenheiten zu bewahren. Deshalb sollte das ausgleichende Training den körperlichen Anforderungen Rechnung tragen, aber vor allem durch Kopfarbeit die Psyche des Pferdes stärken. Die lernenden Reiter sind wie Schüler einer Fremdsprache, die das Pferd idealerweise bereits spricht. Falsche Vokabeln (Hilfen) und auch unangemessene Lautstärke stellen hohe Anforderungen an das Pferd hinsichtlich der Reaktion. Als Ergebnis schaltet das Pferd zum eigenen Schutz ab. Das Ausbildungspferd ist mit vielen unklaren oder missverständlichen Anweisungen der Lernenden konfrontiert. Deshalb muss das Pferd in seinem Einsatz, sowie in der Vor- und Nacharbeit in seiner Individualität immer wieder neu bestätigt werden.

Ausbildungspferde managen – eine besondere Aufgabe
Neben konventioneller Korrekturarbeit unter dem Sattel und an der Longe gehören für Mareike Nieschalk Bodenarbeit, Langzügelarbeit, Halsringreiten, mounted Games, Massagen, oder Zirkuslektionen zu einem abwechslungsreichen Ausgleichstraining. „Selbstverständlich gehören eine passende Ausrüstung, regelmäßige Hufpflege, Zahnkontrollen und osteopathische Behandlungen ebenfalls mit zum Programm. Das alles kostet sehr viel Geld, und es bedarf Sponsoren und Förderern, um zu fairen Preisen guten Unterricht auf täglich vorbereiteten Pferden anbieten zu können. Die Pferde und Ponys müssen umfassend versichert sein. Ebenso der Reitlehrer. Und wie steht es mit der Steuerpflicht des Vereins/Betriebes? Bei allen Aufwendungen, sollte nie auf Kosten der Ausbildungspferde gespart werden, denn sie sind unser wichtigstes Kapital.
Ein Hoch auf diese wundervollen Allrounder!

Text und Interview: Lisa Bolte  Fotos: C. Büchling/ LPBB